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Indien Part 1 Delhi/Varanassi/Kolkata

 

Vorwort

Nicht alles verläuft immer nach Plan!

Das müssen wir wieder auf unserer Reise feststellen, aber man passt sich an. Keine Situation ist ausweglos oder nicht zu meistern. Oft sieht man nur nicht gleich die Lösung, oder sie gefällt einem vielleicht nicht. So oder so man lernt Kompromisse einzugehen und aus seinen Fehlern und Erfahrungen zu lernen.

Die Reise sollte uns eigentlich über den Landweg nach Indien und weiter führen, aber es ist anders gekommen. Kurz zusammengefasst: da wir kein Pakistan-Visum bekommen haben, sind wir mit unserem Pinzgauer „nur“ bis in den Iran, als südlichstes Land, gereist. Bei unserem letzten Versuch das Visa für Pakistan zu bekommen standen wir wirklich ganz kurz davor es auch zu erhalten. Eine der Voraussetzungen war, das Visa für's nächste Land auf der Route -INDIEN- schon zu besitzen, welches wir auch bekommen haben.

Als es nicht weiter ging und wir das realisiert haben, waren wir erst traurig, da wir nicht wie geplant weiter reisen konnten. Auch hätten wir nie daran gedacht, dass die Reise durch ein Visa so beeinträchtigt werden kann. Das passiert einem nur, wenn man die Freizüge des grenzenlosen Reisens in Europa gewöhnt ist ...

Aber mit der Zeit und den Erfahrungen lernt man die Situation aus einer anderen Sicht zu sehen und dementsprechend zu handeln.

Die Reise ist das Ziel und nicht die zurückgelegten Kilometer!

Also geht es für uns wieder zurück über Armenien bis nach Georgien und so kam es, dass wir ein gültiges Visum für Indien in der Tasche hatten, als wir in Tiflis ankommen.

Wie oft hat man die Chance wie wir sie jetzt haben, um nach Indien zu reisen und dort Zirkus zu machen? Selten!

Also beschließen David und ich schweren Herzens den Pinzgauer bei Mariam und Dato in Saguramo bei Tiflis in Georgien für knapp sieben Wochen zu parken und per Flugzeug, mit nur jeweils einem Rucksack pro Person, ein kleines Abenteuer anzugehen:

 

 

INDIEN

 

Delhi

26.07.19

Wir kommen mitten in der Nacht um 4 Uhr am "Indira Gandhi International Airport" an. Reine Flugzeit von Tiflis über Dubai nach Delhi sind knapp 6:30 Stunden. Mit der Metro geht es direkt in die noch schlafende Millionen-Metropole.

Freunde einer Freundin haben uns das „Zostel“ Hostel im Zentrum empfohlen, welches gut von der Bahn aus zu erreichen ist. Normalerweise ...

...denn als wir den Bahnhof durchqueren wollen, werden wir von einem angeblich bei der Bahn arbeitendem Typ angehalten mit der Begründung, dass auf der anderen Seite der Station ein von der Polizei gesperrtes Gebiet ist ... wegen Demonstrationen.

Vollkommen übermüdet von den letzten Stunden lassen wir uns belabern - Anfängerfehler- und zu einem Touristenbüro fahren, um dort eine Genehmigung zum durchqueren des Gebietes zu erhalten.

Erst viel später haben wir gecheckt, dass die Jungs uns verarscht haben. Eine „crossing permission“ haben wir nie erhalten – gibt es auch nicht – aber wir haben viel zu viel Geld für das Tuc Tuc bezahlt und mussten unnötig lange laufen.

Vom Flughafen bis zum Hostel haben wir also schon Einiges erlebt, als wir um 7 Uhr morgens ankommen. Den Vormittag verbringen wir in der Lobby, schlafend ... check-in ist erst ab 12 Uhr und dann schlafen wir auf dem Zimmer weiter.

Abends sind wir fit genug, um uns aus dem Zimmer zu wagen. Die ersten Stadterkundungen um unser Viertel sind so schon aufregend genug! Die Eindrücke springen gerade zu auf einen, so dass ein Einkauf ums Eck schon Kräfte zehrend ist.

Es ist nie leise! Ständig wird gehupt – ein Sport der Inder – nur im Zimmer des Hostel's ist es einigermaßen ruhig... wenn nicht das Handy eines der anderen Gäste (Inder) auf voller Lautstärke die Sounds eines Spieles wiedergeben. Ohrstöpsel können helfen.

Auf der Dachterrasse finden sich ein paar Gäste zum Kartenspielen zusammen. Hauptsächlich Europäer, aber auch Amis, Australier und Inder sitzen gemütlich bei einem Bier beieinander und man unterhält sich. Bei dieser Gelegenheit lernen wir Jago und Cindy aus Schweden kennen. Beide studieren Medizin und sind für ein soziales Auslandspraktikum nach Indien gekommen. Mit ihrem Projekt klären sie junge Frauen über Sex, Krankheiten und Verhütung auf. Mit dabei haben sie MENSTRUATIONSTASSEN (Link) und Kondome zum Verteilen. Die Menstruationstasse ist ein kelchähnliches Produkt, das zum Auffangen des Menstruationssekrets in der Scheide dient.

Umsetzen werden Jago und Cindy ihr Projekt in Kolkata mit Hilfe des IIMC (Institute for Indian Mother and Child). Als die Beiden von unserem Zirkus-Projekt erfahren, sind sie begeistert und laden uns ein mit ihnen nach Kolkata zu fahren um dort Zirkus zu machen. Das IIMC bietet mit seinen Krankenhäusern, Schulen und Pflegeeinrichtungen tatsächlich eine perfekte Voraussetzung für uns. Wir sagen zu und so ist die erste Station in Indien geplant.

 

Guneet und Vishal ...

… sind gute Freunde von Bianca und jetzt auch von uns. Bianca arbeitet bei Kukuk und dank ihr sind wir an die beiden gekommen. Guneet und Vishal haben uns das Zostel (Hostel) gebucht und sich angeboten uns ihre Stadt zu zeigen.

Früh Morgens holen sie uns ab und dann beginnt für uns ein ziemlich voller Tag!

Zu Beginn geht es auf einen Bazar wo es alles gibt! Dann frühstücken wir in einem Süd-Indischen Restaurant – die Küche in Indien ist sehr vielseitig – und wir lernen Speisen wie „Idli, Masala, Aloo Paratha und Rava Dosa“ kennen. Erste Besonderheit: Inder frühstücken nicht süß! Es gibt Curry und Salziges. Das Curry ist nicht mit dem zu vergleichen, was wir aus Deutschland gewöhnt sind. Hier heißt Curry = scharf!

Eine weitere Besonderheit ist, dass über 50 % aller Inder sich vegetarisch ernähren.

Im Anschluss besichtigen wir einen alten Wasserspeicher, der über eine lange Treppe tief in die Erde führt. Dann einen der vielen Tempel und schließlich das Grab von Humayun. Nasir und din Muhammad Humayun, dem zweiten Herrscher des Großmogulreiches von Indien. Die großen Steinbauten sind sehr beeindruckend und von Vishal bekommen wir jeweils ein wenig der weitreichenden Geschichte Indiens erzählt.

Ein spontaner, aber typischer Regenschauer überrascht und durchnässt uns innerhalb von Sekunden. 30 Minuten später sind wir aber wieder halbwegs trocken danke der Sonne und über 30 Grad, obwohl die Luftfeuchtigkeit bei knapp 100 % liegt.

Die absolute Krönung es Tages ist der Besuch bei Guneet's Eltern und dem anschließenden Besuch im Sikh Tempel!

Zuhause bekommen David und ich einen Turban (Bagdi) gewickelt und dann geht es gemeinsam mit dem Papa von Guneet zum Abendgebet.

Den nahe gelegenen „Sri Bangla Sahib Gurudwara” Tempel (http://www.dsgmc.in/) erreichen wir nach einer kurzen Wegstrecke. Am Eingang geben wir unsere Schuhe ab (jeder macht das!!!), reinigen Hände und Füße in extra dafür angelegten Becken und dann geht es in das Innere des großen Tempels.

Die Zeremonie ist ein Erlebnis für sich. Die meiste Zeit sitzen wir im Schneidersitz auf dem mit Teppich ausgelegtem Boden und hören den Priestern zu. Auf einem Flachbildschirm – der so gar nicht in den prunkvollen und antiken Tempel passt – läuft parallel dazu der gesprochene Text. Ab und an stehen wir auf – David und ich halten uns an Guneet's Papa – und setzen uns mit der Masse. Knapp eine halbe Stunde später ist die Zeremonie vorbei und wir verlassen mit tausend Indern den Tempel. An der Türschwelle dreht sich jeder noch einmal um und küsst diese. Das verursacht einen riesigen Menschenstau, aber keiner regt sich auf. Dem rituellen Prozedere folgend, laufen wir ein Mal um einen großen Teich, der den jetzt hell erleuchteten Tempel wunderschön spiegelt. In dem Teich – fast schon See – reinigen sich die Gläubigen, manche gehen sogar ganz ins Wasser. Über allem liegt eine andächtige Stille.

Diese Stille aber ist verflogen, sobald es in Richtung Küche geht! Für ALLE Gläubigen gibt es eine Mahlzeit UMSONST. Den ganzen Tag über wird in einer riesigen Küche permanent gekocht, um die Massen abzufertigen. Das funktioniert nur durch Freiwillige und Essensspenden.

Blockweise wird der Saal mit Gläubigen gefüllt, dann das Essen verteilt und ca. 20 Minuten später geht es von vorne los. Da Guneet's Papa hier bekannt ist, dürfen wir auch einen Blick hinter die Kulissen und in die Küche werfen. Riesige Töpfe und Schüsseln bestimmen die Kulisse. Ganz stolz wird uns eine Brotbackmaschine aus Deutschland gezeigt, die pro Minute 25-30 Brot-Fladen produziert ...

Über allem liegt der klassische Duft von Curry.

 

Mehr über den Sikhismus finden Sie HIER! https://www.mahatravel.com/reiseinformationen_goetterwelten_sikhismus-in-indien

 

Erste Indien -Erfahrungen

Wir verbringen ein paar Tage in Delhi, um uns an die indische Kultur zu gewöhnen. Mittlerweile sind wir 'dicke' mit den Schwedinnen und Sic – einem Halbinder, der quer durch die Welt reist. Gemeinsam gehen wir auf Stadterkundung und dank Sic kommen wir auch an Orte, die einem als Ausländer eher verwehrt bleiben.

Wir besuchen das Zentrum und gehen erst einmal Sandalen einkaufen: offene Füße sind in Indien ratsam, sonst holt man sich schnell mal ein Fungus (Fußpilz, der entstehen kann, wenn man geschlossene Schuhe bei tropischen Temperaturen trägt). Jago und Cindy sprechen aus Erfahrung und da sie angehende Ärzte sind, lassen wir uns das nicht zweimal sagen ...

Die Fahrt mit der Metro ist kaum mit einer in Deutschland zu vergleichen, vor allem zur Rushhour. Dicht gedrängt steckt man dann in einem Waggon mit hundert anderen Passanten. Frauen und Männer sind hier getrennt und so stecken wir in einer Curry- und Schweißwolke fest.

 

Zugticket

29.07.19

Das Ticketsystem für die Metro ist sehr einfach zu verstehen und auch für Ausländer wie uns einfach zu handhaben.

Anders verhält es sich aber mit dem System für die Tickets der „Indian Railway Company“ (IRC). Zugfahren ist in Indien stark verankert. In der Kolonialzeit haben die Engländer das Zugreisen etabliert und heutzutage kommt man überall mit dem Zug hin.

Für Langstreckenreisen gibt es mehrere Klassen: S3 (erste Klasse mit Klimaanlage), S2 (zweite Klasse mit Klimaanlage) und SL (Holzklasse). Wir entschließen uns Geld zu sparen, da hier zwischen den Klassen hohe Abweichungen gegeben sind.

An ein Ticket zu kommen ist eigentlich sehr einfach: an jeder Ecke gibt es eine Reiseagentur, die für alle Klassen Tickets anbietet. Nur leider wollen diese auch eine Provision, so dass die Preise 50 bis 90 % höher als normal üblich sind.

In jeder größeren Bahnstation gibt es auch ein Ticketschalter, wo man die Tickets zu regulären indischen Preisen erstehen kann. Bis wir das herausgefunden haben, sind wir ewig von Reisebüro zu Reisebüro geschickt worden. Im Nachhinein haben wir erfahren, dass das ein abgekartetes Spiel von Banden ist:

Vor dem Bahnhof wirst du als Tourist abgefangen und ausgefragt (hast du ein Ticket usw ...), Dabei geben die Leute sich als Mitarbeiter der Bahn aus. Wenn du ein Ticket hast, kannst du durch, wenn nicht, belabern sie dich, dass du hier keins kaufen kannst, aber Sie kennen ein gutes Reisebüro – lotsen dich zu einem Tuc Tuc das dich zu einem sehr günstigen Preis – dank der „guten Beziehung“ des helfenden „Bahnangestellten“ – direkt zum Reisebüro fährt.

Uns ist das passiert, nur dass wir dann dem Verkäufer im Büro den Vogel gezeigt haben und zurück zur Bahnstation gefahren sind, wo wir wieder von den Typen in Empfang genommen wurden ...

Der halbe Tag ist schon vergangen, nur bei dem Versuch das Ticket zu bekommen. Wir erzählen Sic von unseren Erlebnissen und er rastet total aus und erklärt uns, dass das ein abgekartetes Spiel ist. Gemeinsam gehen wir wieder zum Bahnhof und tatsächlich wird wieder versucht uns aufzuhalten, aber wir ignorieren sie. Sic bringt uns bis in das Ticketbüro der IRC und setzt uns hier ab. Später erzählt er uns, dass er von den Jungs auf der Straße beschimpft wurde und warum er ihr „Business“ kaputt macht.

Im Büro der IRC füllen wir zunächst ein Formular aus: Name, Alter, Adresse, und alle Einzelheiten zur Reise müssen aufgeschrieben werden. Ist es nicht vollständig oder fehlerhaft, wird man weggeschickt und muss es erneut ausfüllen.

Gerade ist nicht viel los und wir müssen nicht lange warten. Wir kaufen gleich zwei Tickets: von Delhi nach Varanassi und von Varanassi nach Kolkata. Zwei Formulare für vier Tickets. Wir legen unsere Reisepässe vor und dann wird in einen uralten Computer die Daten eingegeben.

Dank Vishal, dem Freund von Guneet, haben wir eine App der IRC installiert, wo wir die Preise und Verfügbarkeit der Tickets sehen. Wir müssen etwas mehr zahlen als dort angegeben wird (nicht sehr viel aber hey...) und haken nach. Die Begründung ist, dass Ausländer einen etwas höheren Preis zu zahlen haben, dafür aber garantiert einen Platz bekommen. Denn oft sind die Züge überbucht und wenn man keinen reservierten Platz hat, steht man auf der Warteliste. Man darf zwar mit dem Zug reisen, hat aber keinen Sitz- bzw. Schlafplatz. Um das zu vermeiden sollte man 10 bis 14 Tage vorher sein Ticket kaufen.

Statt 400 Indische Rupie (5,09€) zahlen wir 600 IR (7,64€). In den Reisebüros waren die Angebote für die gleiche Klasse (SL=Holzklasse) bei 1000 IR (12,73€) bis 1500 IR (19,10€).

Glücklich die Tickets und diese Erfahrung gemacht zu haben, treffen wir uns abends wieder mit Sic, wo wir bei einem Bier über die Erlebnisse von heute lachen. Die Mädels, Cindy und Jago, sind schon nach Kolkata geflogen.

 

Zugfahren

30.07.19

Unser Zug fährt am Abend und ist pünktlich! Normalerweise kann man immer mit Verspätung rechnen, aber da dieser Zug hier in Delhi startet, sind wir eine Stunde früher da.

Auf dem Bahnhof ist einiges los! Minütlich fahren hier die Züge ein und tausende Menschen bahnen sich ihren Weg. Viele warten auch einfach nur und liegen mitten in der Bahnhofshalle. Eine riesige Anzeigetafel gibt Auskunft über Gleis und Abfahrt. Auf dem richtigen Bahnsteig angekommen, können wir uns kurz entspannen. Etwas unheimlich sind die unverhohlenen Blicke der Inder, die an uns vorbeikommen. Aus dem Iran sind wir die Aufmerksamkeit zwar gewöhnt, aber wenn dir jeder mit neutralem Blick einen Komplettcheck ohne Lächeln verpasst, kann man einfach nicht einordnen, ob du gleich nach einem gemeinsamen Selfie oder deiner Brieftasche gefragt wirst.

Tatsächlich haben wir etwas Schiss vor einem Diebstahl in all dem Chaos. Wir passen gut auf unsere Rucksäcke auf. Unser einziges Hab und Gut.

 

Den Platz im Zug finden wir dank der Hilfe von anderen Mitreisenden sehr schnell. Wir haben ein quer zur Fahrtrichtung ausgerichtetes unteres und mittleres Bett, das gerade zu einer Sitzbank aufgebaut ist. Darüber ist noch ein drittes, fest installiertes Bett. Gegenüber die gleiche Konstruktion und auf der anderen Seite des Ganges sind ein unteres und oberes, in Fahrtrichtung verlaufendes Bett. Das untere lässt sich zu zwei gegenüberliegenden Sitzen aufbauen.

Die oberen Betten sind sehr beliebt, da man dort seine Ruhe vor Verkäufern, Bettlern oder den anderen (oftmals aufdringlichen) Mitreisenden hat. Da wir allerdings so knapp gebucht haben, gab es nur ein mittleres und unteres Bett.

Generell ist alles sehr entspannt und zu ertragen, wenn der Zug fährt. Aber an den Haltestellen ist immer die absolute Hektik. Diejenigen, die Aussteigen wollen, rempeln gegen die, die einsteigen wollen und so entsteht eine etwas für uns unverständliche Panik.

Uns fällt auf, dass die Inder untereinander wenig Respekt zeigen. Es wird geflucht, gedrängelt und geschubst um an sein Ziel zu kommen. Glücklicherweise passiert das bei Europäern nur in Ausnahmefällen.

Gegen 22 Uhr verscheuchen wir die armen Teufel, die keinen reservierten Sitzplatz haben von unserer Bank und bauen unsere Betten auf. Dabei wird die Rückenlehne zum mittleren Bett, während der Rest bleibt. In weiser Voraussicht habe ich ein Laken aus dem Hostel „ausgeliehen“ um so dem best-möglichsten Komfort zu haben.

Unsere Rucksäcke sind unter der Bank verstaut und mit einem Schloss an einer Halterung befestigt. Etwas paranoid, aber wir haben schon einige Storys gehört und wollen es nicht darauf ankommen lassen.

 

Die Nacht vergeht ohne Zwischenfälle. Schlafen tun wir beide kaum, da wir immer wieder nach unserem Gepäck schauen und der Lärm, wie auch das Rütteln des Zuges es einem schwer macht, abzuschalten. Zudem sind die Betten nicht gerade die bequemsten.

Ab 7 Uhr fangen die Verkäufer im Zug wieder an ihre Runden zu drehen und wir kaufen uns ein Wasser und Bananen. Reis und Curry wären zwar auch im Angebot, aber uns ist das etwas zu früh ...

 

Varanassi

31.07.19

Gegen 8 Uhr erreicht unser Zug den Bahnhof und wir fahren mit dem Taxi zu einem „Zostel“. Das ist ein Hostel einer großen Kette, die überall in Indien verteilt sind. Unser Hostel in Delhi war auch ein „Zostel“ und so können wie hier unsere Rucksäcke für den Tag lassen und erkunden zu Fuß die Stadt und den Ganges. Uns bleibt nur ein Tag, da abends unser Zug nach Kolkata fährt.

 

So früh morgens ist noch nicht viel los und so haben wir die Flusspromenade mit all den Tempeln für uns. Die Architektur ist phänomenal und perfekt von der Morgensonne erhellt. Den Chay, den hier alle trinken, gibt es nicht aus Plastik oder Papierbechern, sondern aus Tontassen. Das freut uns sehr, denn mit der Müllentsorgung haben es die Inder nicht so. Überall liegt Plastik und während der Zugfahrt haben wir sehr erstaunt beobachtet, dass alle Abfälle einfach aus dem Fenster geworfen werden.

 

Im Ganges sehen wir eine tote Kuh treiben, was uns erstaunt, da Kühe hier als heilig gelten und überall in der Stadt, wie auf dem Land anzutreffen sind. Eigentlich haben wir erwartet, an jeder Ecke einen Unfall zwischen Kuh und Straßenverkehr zu erleben ... aber es funktioniert irgendwie, so wie alles andere auch.

Mittags erleben wir eine Toten-Zeremonie. Wir sehen wie die Verstorbenen, eingehüllt in Tücher, von den Familienangehörigen auf Bahren hergetragen werden, den Priestern überreicht, im Ganges gewaschen und dann auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden. Anschließend wird die Asche im Fluss verstreut.

Der Ganges ist für viele Religionen, wie zum Beispiel den Hinduismus und den Sikhismus, heilig.

Ziemlich direkt und neu für uns. Aber unsere Sicht auf das Leben und den Tod unterscheidet sich eben stark von dem der Inder.

 

Abends geht es weiter nach Kolkata. Im Hostel konnten wir uns noch frisch machen und ein wenig ausruhen, bevor es erneut mit dem Zug die ganze Nacht lang durch Nord-Ost-Indien geht.

Die zweite Fahrt ist schon etwas weniger aufregend für uns, da man jetzt weiß wie so manche Dinge eben laufen, dennoch sich wir vollkommen am Arsch als wir morgens um 9 Uhr ankommen.

 

Kolkata

01.08.19

Es ist heiß! Auch ohne sich zu bewegen perlt uns der Schweiß aus allen Poren. Mit Rucksack durch die Stadt laufend, in der Sonne, bringt uns fast ans Limit. Der Umstand, dass wir müde, hungrig und von jedem angequatscht werden, lässt uns die Ruhe eines einsamen 3000er Berges stark vermissen!

Bis wir letztlich bei dem IIMC [https://iimcmissioncal.org] ankommen,     nehmen wir von dem Bahnhof aus ein Taxi, die Metro, ein Tuc Tuc und einen Fußmarsch auf uns, bis wir zwei Stunden später endlich da sind. Komplett durch, aber an einem Stück!

 

Cindy und Jago nehmen uns gut gelaunt in Empfang und zeigen uns gleich unser Quartier in einem Haus gegenüber des Instituts. Die Zwei freuen sich riesig, dass wir tatsächlich gekommen sind und führen uns gleich herum.

 

Wir sind mit ca. 15 Medizin- und Soziologie-Studenten neu im IIMC angekommen und fallen somit kaum auf. Die Studenten sind für einen Monat hier, um ein Praktikum zu machen. Jeder mit einem eigenen kleinen Projekt, zum Beispiel gibt es eine Gruppe, die über die Dringlichkeit sich die Hände oder Zähne zu waschen aufklären und dann ein paar Seifen und Zahnbürsten zum Verteilen mit dabei haben oder wie Cindy und Jago mit ihren Menstruationsbechern. 

 

Monatlich kommen hier neue Leute ins Haus und alles wird koordiniert von Dr. Sujit.

Er ist der Gründer und Leiter des IIMC. Vom Äußerlichen wirkt er wenig auffällig, aber sobald er anfängt zu reden, ist der ganze Raum still. Der Mann ist eine Persönlichkeit!

 

Jago und Cindy stellen uns persönlich bei Dr. Sujit vor und während wir von uns und GO HAPPY erzählen, lernen wir einen strengen, aber auch witzigen Mann kennen.

Mit unserem Projekt heben wir uns ein wenig von dem der anderen ab und so kommt es, dass wir eine Art Sonderstatus bekommen. Begünstigender Faktor sind zudem Cindy und Jago, die hier schon das zweite Mal sind und somit alte Hasen.

Mit Dr. Sujit machen wir aus, dass wir täglich mit den anderen Freiwilligen in die Schulen, Krankenhäuser und Einrichtungen fahren um Zirkus zu machen.

 

Noch am gleichen Abend gehen wir mit unseren Mädels in die Stadt und kaufen groß ein: Luftballons und kleine Tüten. Der Plan ist damit Jonglierbälle für die Kids zu basteln.

Mit 6oo Luftballons verlassen wir zufrieden den „Lake Market“ nach erstaunlich wenig verhandeln. Damit können wir 3oo Bälle basteln. Das einzige was noch fehlt, ist Sand, aber da machen wir uns keine Sorgen: überall am Straßenrand und an jeder Baustelle ist dieser zu finden.

Der krönende Abschluss des Abends findet bei Akash in seinem Kleidungsladen statt. Er ist unter den Freiwilligen des IIMC bekannt und unsere Mädels kennen ihn natürlich auch.

Zuerst werden dünne, lange Hosen für David und mich ausgesucht, da wir immer noch mit Jeans rumlaufen und uns einen abschwitzen und dann trinken wir gemeinsam ein paar Bier bis wir lustig sind.

Auf der Straße lässt sich David von einem Flötenspieler/-Verkäufer anquatschen und 10 Minuten später ist GO HAPPY glücklicher Besitzer einer Bambusflöte!

Das Mundstück ist einer Klarinette nachempfunden, nur der Sound ist um einiges tiefer.

Wir haben uns schon überlegt wie wir die Show ohne die Ukulele machen sollen, denn die haben wir mit dem Pinzgauer in Georgien gelassen. Somit haben wir dieses Problem gelöst und sind bereit für die kommenden Tage in Kolkata.

 

Der nächste Tag startet entspannt. Um 9:30 Uhr frühstücken wir vor dem Haus bei einem kleinen Stand, der „Chore Patura“ verkauft. Das sind in dem Fall 3 kleine frittierte Teigtaschen, die mit Gemüsecurry gefüllt werden.

 

Heiß, salzig und scharf zum Frühstück!

 

Das ist echt krass. So krass, dass David's Magen beschließt Terror zu machen und seinen Besitzer in der nächsten Stunde 3x aufs Klo zwingt.

Bis jetzt sind wir noch relativ gut weggekommen, was die Verdauung betrifft, aber wir haben ja noch ein wenig Zeit in Indien vor uns ...

 

Den Vormittag verbringen wir im „day care“: einer Tagesstätte für Kindergartenkinder von Prostituierten oder Frauen, die es mal waren.

 

[Das IIMC versucht auch hier Hilfe zu leisten und die Frauen aus der Szene zu holen. Dafür werden z.B. kostenlose Kindergärten und vergünstigte Schulen für die Kinder angeboten oder auch Weiterbildungen in neue Berufe für die Frauen.]

 

Unser erster Workshop läuft ganz gut dafür, dass wir so junge Kids haben. Auch der Umstand in einem anderen Land zu sein heißt für uns sich anzupassen. Einfach macht es uns der Umstand, dass viele Englisch sprechen können. Zwar nicht die jungen Kids aber die Betreuer.

Gemeinsam basteln wir Jonglierbälle aus den Ballons, Tüten und dem Sand. Letzteren haben wir uns Morgens kurz bei der Baustelle gegenüber ausgeliehen...

Ein Jonglierball besteht aus zwei Luftballons, von denen der dünne Part abgeschnitten ist, die über eine mit Sand gefüllte Tüte gestülpt werden. Fertig!

 

Nachmittags geben wir gemeinsam mit Cindy und Jago für Mädchen mit Behinderungen unseren zweiten Workshop. Wir basteln wieder Bälle und zeigen anschließend wie man damit jonglieren kann. Diesmal sind die Kids um die 15 Jahre alt und das Unterrichten ist ganz anders als am Morgen im Kindi.

So oder so es kommt gut an!

Während David und ich noch zeigen was Zirkus sonst noch alles sein kann, wird unsere kleine Performance durch einen laut schreienden Mitarbeiter unterbrochen. Mitten in Davids Jonglage stürmt er unser Zimmer und meint alle müssen jetzt runter kommen: Ein Geburtstag muss gefeiert werden!

Cindy und Jago sagen dazu nur, dass das normal ist. So läuft das hier eben. Etwas spontan und chaotisch!

Leicht überrumpelt fügen wir uns dieser Aufforderung und treffen unten die ganze Belegschaft des Instituts an. Einer der Mitarbeiter hat offensichtlich Geburtstag und steht vor einem Tisch mit einer riesigen Torte. Es muss ich wohl herumgesprochen haben, dass wir Zirkus machen und man will was sehen. David legt gleich voll enthusiastisch mit seiner Balljunglage los, während ich mich etwas zurückziehe. Der Platz ist kaum ausreichend um einen Handstand, geschweige dem ein Rad zu machen und außerdem zerfließe ich bei der kleinsten Anstrengung in der Hitze.

Höre ich da etwa ein kleines „mii mii miiiih?“

Ja auf jeden Fall aber wer ist schon scharf darauf in der Sauna 5 Minuten Akrobatik zu machen? Geschweige den es zu können...

So übernehme ich kleinere Parts wie Bälle zuwerfen, Musik steuern und David die Show rocken zu lassen. Das IIMC Kollegium ist begeistert. Dr. Sujit ebenfalls. Jetzt kennt uns jeder.

Von dem Kuchen lassen wir auf anraten der Mädels die Finger. Mit der Kühlkette haben die Inder es nicht so und unsere europäischen Mägen sind dem teils nicht gewachsen.

 

Schulbesuch(e)

IIMC NETAJISUBHASPATHABHAWAN SCHOOL

Die Fahrten zu den Schulen legen wir meist in einem der Geländewagen des IIMC zurück. Der Fahrer ist permanent am hupen … anders geht es hier nicht. Selbst etwas außerhalb der Großstadt ist der Verkehr ein riesiges Chaos. Erst außerhalb der Ballungszentren geht es einigermaßen. Das sind auch die ersten Gelegenheiten für David und mich etwas vom Landleben mitzubekommen. Hier im Nordosten Indiens überwiegen Reisfelder die Landschaft. Aber auch dichter Dschungel.

In den Tagen beim IIMC haben wir mehrere Schulen besucht, aber die Netajisubhaspathabhawan (einen komplizierteren Namen gab es nicht mehr, oder?!) Schule war besonders.

Wie jedes mal werden wir nach der Ankunft von einem der Lehrer in Empfang genommen und in das Lehrerzimmer zum Schuldirektor geführt. Bei Chay und Gebäck (gründlich in Augenschein nehmen vor Verzehr) erklären wir was wir machen und anbieten. Dann werden Klassen ausgesucht, zu denen wir im Anschluss gehen.

Meisten gehen wir zu Kids im Alter zwischen 10 und 15. Wir basteln gemeinsam unsere Jonglierbälle und dann zeigen wir wie und was man damit machen kann. Bei den Freiwilligen des IIMC sind wir auch schon so beliebt, dass wir jedes mal Unterstützung von ihnen bekommen und es kleine Streitereien gibt, wer jetzt mit darf und wer nicht.

Neben Jonglage machen wir aber auch Akrobatik. Da Sport gar nicht im Lehrplan vorkommt, ist Akrobatik natürlich die absolute Neuheit. Zwar schaffen wir in der Kurzen Zeit nur einfache Pyramiden, aber den Kids gefällt es!

Zum finalen Abschluss spielen David als Clown und ich als Akrobat unsere Show. Wir haben das Programm etwas umgestellt, da wir 95% unseres Equipments in Georgien gelassen haben, aber am Ende haben wir eine 30 minütige Aufführung mit minimalistischsten Requisiten gebastelt.

In der Netajisubhaspathabhawan Schule spielen wir im Pausenhof vor der ganzen Schule: über 400 Kinder. Die Sonne scheint und wir schwitzen uns einen ab … aber die Show läuft!

Tosender Applaus und eine Schule mit glücklichen Kindern ist der Dank, den wir bekommen und wertschätzen.

Komplett nass, das T-shirt ist wie nach einer Dusche auswringbar, geht es zurück ins IIMC. Ich darf vorne sitzen... ein Segen → hinten ist es eng, warm und die anderen können gut auf unnötigen Körperkontakt verzichten. Die Freiwilligen sind von der guten Stimmung der Show in Feierstimmung und wir lassen laut die Musik laufen, während wir durch die Landschaft brettern.

 

Ein Jahr

06.08.19

Wir feiern das Jubiläum: ein Jahr unterwegs auf Weltreise. Wir erinnern uns zurück und kommen darauf, dass wir uns nur einen Tag nicht gesehen haben! 364 Tage haben wir zusammen verbracht! Wie krass ist dass den bitte! Alle Höhen und Tiefen haben wir gemeinsam gemeistert. Alle Momente geteilt. Uns gestritten und wieder versöhnt.

Auf ein weiteres Jahr.

 

 

 

 

 

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