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Armenien II

 

Päng Päng

04.06.19

Wir überqueren die Brücke auf die armenische Seite und übersehen ein kleinen Militärposten trotz Stop-Schild! Die Reaktion lässt nicht lange auf sich warten: wir werden zurückgerufen und müssen gut 30 Meter zurücksetzen. Der grimmige Blick des Soldaten lässt sich auch mit einem „Sorry“ nicht wieder wegzaubern und so werden unsere Reisepässe sehr, sehr, sehr ordentlich unter die Lupe genommen. Da nichts daran auszusetzen ist, dürfen wir aber weiter fahren und ja, jetzt sind wir wieder aufmerksam!

Der Grenzübergang hier in Agarak ist der einzige in den Iran und dementsprechend ist auch was los.

Zum ersten Mal auf unserer Reise müssen wir den Pinzgauer auch durch eine Röntgenanlage fahren, aber dafür fällt die Durchsuchung sehr lapidar aus: ein kurzen Blick hinten in den Aufbau von einem (betrunkenen) Soldaten ist genug. Dafür braucht es Ewigkeiten, bis die Papiere für den Pinz fertig sind, aber wir werden nicht wie das letzte Mal bei der Einreise nach Armenien abgezogen: 20 Euro als Einfuhr-Steuer und dann noch ca. 10 Euro für 30 Tage Kfz Versicherung (letztes Mal waren es 50€ für 10 Tage Versicherung und Einfuhr-Steuer).

Sobald wir die Grenze hinter uns gebracht haben – über 4 Stunden hat es gedauert – gehen wir das einkaufen, worauf wir 5 Monate lang verzichten mussten: ein Bier!

 

Bevor wir aber unser Lager aufschlagen, machen wir noch ein paar Kilometer in Richtung Yerevan. Ursprünglich wollen wir die östlichste Route entlang der aserbaidschanischen Grenze nehmen, aber werden von Soldaten nahe dem Dorf Nrnadzor aufgehalten. Englisch sprechen sie nicht, nur die Geste mit den zur Pistolen geformten Händen und „päng päng“ verstehen wir recht gut!

Gerade kann man hier als Tourist nicht entlangfahren und muss die Route mittig durch den südlichen armenischen Zipfel nehmen. Tatsächlich erfahren wir in den nächsten Wochen, dass offiziell ein Waffenstillstand herrscht, aber beide Parteien regelmäßig militärische „Übungen“ machen und ab und zu ein Soldat stirbt...

 

Das Feierabendbier, auf das wir so lange verzichten mussten, trinken wir hinten im Pinz, da gerade, als wir ein Feuer in unserem Lager anmachen wollen, sich der Himmel öffnet und es so dermaßen anfängt zu regnen, dass in kürzester Zeit der Bach neben uns lauter und schneller wird, angepeitscht durch die Wassermassen. Regen gab es in den letzten 5 Monaten im Iran nicht sehr oft.

 

Yerevan

Am nächsten Tag geht es in einem durch nach Yerevan. Für diese Strecke – die gleiche wie auf dem Hinweg – brauchen wir fast den ganzen Tag, obwohl wir uns ran gehalten haben (im Winter haben wir dafür zwei Tage benötigt).

Dabei muss ich die Schönheit der Natur und der Berge betonen. Jetzt, da überall das Grün der Bäume sich wie ein Teppich über die Landschaft zieht, bietet sich für uns ein gänzlich anderes Panorama, als noch vor einem halben Jahr. Und obwohl es schon so lange her ist, erkennen wir Gebäude oder markante Stellen wieder!

 

Der Grund für unsere Eile ist, dass wir Besuch aus Deutschland bekommen. Im Verlauf der nächsten Tage kommt meine Familie und ein guter Freund nach Armenien für einen Camping-Urlaub mit uns.

Abends kommen wir komplett fertig in der Hauptstadt an und treffen meine Schwester und unseren Kumpel. Das Wiedersehen löst Freude aus! Wir ziehen durch die Straßen von Yerevan und erzählen was so alles im letzten dreiviertel Jahr passiert ist...

 

Der Rest der Familie wird ein paar Tage später kommen und diese Zeit nutzen wir schon mal, um als Vierergruppe in die Berge zu fahren und ein wenig Abseits der Straßen zu fahren.

Nahe Goght fahren wir den Berg hoch: das Ziel ist ein kleiner See auf einer Hochebene. Die Strecke ist sehr anspruchsvoll und wir werden ordentlich durchgeschüttelt. Den einzigen Menschen denen wir begegnen sind Hirten, die hier oben wie Nomaden in ihren Zelten leben. Die Blicke die wir zugeworfen bekommen reichen von Skepsis bis totaler Verblüffung. Ein paar mal werden wir angesprochen, aber da wir weder armenisch noch russisch können, war das Gespräch meistens nach der Begrüßung schon zu Ende.

Nach knapp einer Stunde über Stock und Stein kommen wir oben bei dem kleinen See an und werden mit einem Regenbogen begrüßt. Ein feiner Nieselregen hat eingesetzt als wir gerade ein anderes Fahrzeug entdecken, das direkt am Ufer parkt. Ein gelber Wrangler mit kleinem Anhänger steht da ganz allein herum und niemand ist zu sehen. Wir vermuten, dass dort andere Reisende sind und fahren kurzerhand vorbei um hallo zu sagen.

 

Party

In den armenischen Bergen erwartet man nicht eine der witzigsten Partys auf der Reise zu feiern, aber die Realität belehrt uns eines besseren: wir klopfen an den winzigen Anhänger und die Plane wird zurückgezogen → vier Männer kommen zum Vorschein. An einer kleinen Biertischgarnitur gezwängt sitzen die Jungs in ihrem Anhänger und … trinken.

Der Tisch ist voll mit Wein, Bier, Wodka und anderen Spirituosen. Des weiteren bedeckt ein ordentliches Vesper den Rest des Tisches!

Die Männer rasten aus vor Freude und laden uns direkt ein mitzufeiern. Es sind Armenier, die anscheinend ihren freien Tag gemeinsam in den Bergen verbringen. Als erstes wird angestoßen und der selbstgemachte Wodka findet den Weg zu uns. Der Regen hört auf und wir tragen den Tisch aus dem Hänger und auf einmal feiern wir zu acht mitten in den Bergen. Wir tragen mit ein paar Kleinigkeiten aus unserer Küche ebenfalls zum Vesper bei – Alkohol gibt es schon genug – und dann wird gegessen und getrunken!

Innerhalb kürzester Zeit sind wir gut dabei und wir stehen Arm in Arm mit den Armeniern am See. Die Kommunikation ist sehr speziell: wir sprechen kein armenisch oder russisch und die anderen kein englisch oder deutsch. Was wir aber herausfinden ist, dass einer der Männer der regionale Polizeichef ist und wir haben jetzt seine Nummer, falls etwas sein sollte!

 

Wir verlassen eine Stunde vor Sonnenuntergang den See und die Männer und fahren etwas tiefer den Berg hinunter, um vor dem stetigen Wind und den frischen Temperaturen geschützt zu sein.

 

3GS Camping

Geht man nach Armenien um zu campen, kommt man unweigerlich auch an diesem Campingplatz vorbei: 3GS Camping. Dieser liegt nahe von Yerevan bei Goght und ist einer von zwei in ganz Armenien und deshalb besonders, da er von einer Holländerin geführt wird. Sandra ist mit ihrem Mann Mathi seit 7 Jahren in Armenien und seit 5 Jahren hier in Goght.

Aufmerksam auf sie sind wir durch die App „IOverlander“ geworden, in der über den Campingplatz nur das Beste steht.

Wir besuchen Sie und beschließen dann, die nächsten Tage dort zu bleiben, um auf den Rest der Familie zu warten. Gleichzeitig fragen David und ich, ob die Möglichkeit besteht hier Zirkus zu machen. Sandra kennt den Schulleiter der Grundschule aus Goght und so haben wir einen Kontakt...

 

Die Familie ist da

09.06.19

Mitten in der Nacht um 3 Uhr holen wir Mama, Papa und Bruder vom Flughafen ab. Das Wiedersehen ist wunderschön und die ganzen Telefonate in den letzten 10 Monaten sind kein Vergleich zu der Freude die Familie wieder in echt zu sehen!

Der Mietwagen für die Familie ist ein Renault mit Allrad und gemeinsam geht es mitten in der Nacht durch Yerevan und raus aus der City nach Goght zum 3GS. Von Sandra haben wir einen Schlüssel bekommen und so können wir ohne jemanden wecken zu müssen auf den Campingplatz und unsere Zelte aufschlagen.

 

Rundreise

11.06.19

Los geht es von Goght aus in Richtung heiße Quelle bei Dschermuk. Die Tage über kommen wir in Tatev bei einem der berühmtesten Kloster vorbei, obwohl das eigentliche Highlight eine Höhle im Tal ist, wo ebenfalls eine heiße Quelle ist und ein wilder Bergfluss durchfließt. Der Gegharkunik See ist unsere letzte Station und hier verbringen wir ein paar Tage, bevor es wieder zurück nach Yerevan geht. Geschlafen wird in zwei Zelten, dem Pinzgauer und unserem Dachzelt. Wildcamping vom Feinsten. Abends brennt immer ein gemütliches Feuer und obwohl es viel regnet, sind die Abende meistens trocken.

 

17.07.19

Gemeinsam besichtigen wir die Stadt Yerevan und dann geht es für unseren Besuch wieder zurück in die Heimat. Wir hingegen haben vor noch ein wenig in der Hauptstadt zu bleiben und Zirkus mit den Waldorfschülern zu machen und nehmen mit Lucy - der Eurythmielehrerin - wieder Kontakt auf. Wir können sogar in der Schule schlafen – es sind Ferien – und so haben wir unseren eigene Räume, wo wir die letzten Monate unserer Reise wieder einmal versuchen zu dokumentieren. David nimmt sich vor jede Woche ein Video zu veröffentlichen und ich versetze allen schon existierenden einen englischen Untertitel. So sollten wir langsam aber sicher das halbe Jahr, das wir hinterher hängen, aufarbeiten.

Nebenbei entsteht neue Musik von David aka Demton und dazu drehen wir gleich ein Musikvideo, obwohl David durch die Klimaanlagen sich einen üblen Husten eingefangen hat und mehr oder weniger krank im Bett liegt.

Trotzdem geben wir an drei Tagen in der Sporthalle einen Zirkus-Workshop für die Kids aus der Schule.

Seit längerem versucht Eileen Breuer von der Filder Zeitung ein Interview mit uns zu führen und endlich gelingt uns das in Yerean. Während wir bei einem Frühstück in einem Café sitzen und das schnelle WLAN nutzen, stellt sie uns Fragen, die wir gerne beantworten. Nach knapp 2 Stunden sind wir fertig und eine Woche später ist der Artikel veröffentlicht worden [Link hier].

 

270 Workshop Teilnehmer

26.06.19

Wir fahren noch mal nach Goght und zum 3GS um mit Sandra einen Kaffee zu trinken und um Zirkus in der dortigen Schule zu machen. Wir haben den Schuldirektor erreicht und er erwartet uns!

Als wir auf das Schulgelände fahren haben wir 5 Minuten Verspätung und schon einen Anruf erhalten wo wir bleiben. Der Grund sind 270 Schülerinnen und Schüler, die zusammengekommen sind, um bei dem Zirkus-Workshop von uns dabei zu sein.

Wir sind leicht überrascht, als wir die vielen Kids sehen, aber dann setzt die Routine sich durch: Hallo sagen beim Direktor, kurz erklären was Phase ist und dann loslegen!

Wir bauen drei unserer Slacklines auf und verteilen all unser Equipment: Bälle, Ringe, Teller, Keulen, Hola-Hoop und vieles weitere. Während sich David bei Jonglage einklinkt, bleibe ich bei den Slacklines und dem Rola Bola. Kind für Kind erklären, helfen und unterstützen wir. Nach knapp 2 Stunden sind wir vollkommen erledigt und verabschieden die Kids mit dem Versprechen morgen hier eine Show zu spielen.

Zur Erholung springen wir bei Sandra einmal in den Pool und genießen die letzten Sonnenstrahlen.

Auf dem Campingplatz ist immer was los und es herrscht ein stetiges Kommen und Gehen von Reisenden. Man findet immer einen Gesprächspartner! Derzeit sind einige Holländer, Franzosen und Deutsche da. So viele Langzeitreisende wie hier haben wir auf der gesamten Reise nicht getroffen.

Am nächsten Tag spielen wir auf der Wiese vor der Schule unsere Show. Zwischen dem Pinz und einem Baum haben wir unser Seil gespannt, an dem unser blauer Vorhang hängt. David macht den Clown – obwohl er immer noch nicht ganz fit ist – und zusammen rocken wir das Publikum. Der nächste Workshop startet umso intensiver am nächsten Tag, da die Kids jetzt gesehen haben was man alles machen kann.

Selbst als es schon längst Zeit ist alles wieder zusammenzupacken, sind einige noch voll konzentriert am ausprobieren.

Eigentlich wollen die Kids uns gar nicht mehr gehen lassen und mit uns Fußball oder Volleyball spielen.

 

One more night

Ursprünglich wollten wir nur zwei Nächte bei Sandra bleiben, aber dadurch, dass wir uns mit dem Zirkus und einigen Kleinigkeiten auf dem Campingplatz revanchieren konnten, hatte sie und ihr Mann nichts dagegen, dass wir länger bleiben.

Während David das nächste Video schneidet, bin ich fleißig daran die Untertitel für alle anderen Videos zu kreieren.

Das kaputte Fangband am Pinzgauer haben wir durch ein neues ersetzt, das mir meine Familie mitgebracht hat.

 

Als wir unseren weiteren Weg planen hören wir, dass nächste Woche in Batumi, Georgien ein Spielplatz gebaut werden soll … und da beschließen wir mit dabei zu sein!

Unser langfristiger Plan ist es per Flugzeug für ein oder zwei Monate nach Indien zu reisen und den Pinzgauer hier in Armenien oder Georgien zu parken.

 

Soldaten

Am 01.07.19 fahren wir von Goght nach Gymrie, nahe der georgisch-armenischen Grenze. Mitten in den Wiesen auf einer Berganhöhe finden wir einen geeigneten Platz für die Nacht. Vor dem stetigen Wind werden wir von einer Baumgruppe geschützt. Leider übersehen wir beim einparken einen metallenen Vorsprung und schlitzen so bei der Batterie-Box ein Loch durch die Klappe. Dieser kleine Schlitz macht uns aber nichts.

Nachdem wir das Abendessen beendet haben – durch den Wind ist uns der Kocher immer wieder ausgegangen und wir mussten im Pinz kochen – bekommen wir aus der dunklen Nacht einen Überraschungsbesuch: 

6 Soldaten sitzen mit uns wenig später im Pinzgauer zusammen, um vor dem Wind in Sicherheit zu sein. Gesprochen wird ganz wenig Englisch, viel Armenisch und getrunken wird in Massen Wodka und Bier, das die Jungs mitgebracht haben. Geraucht wird ebenfalls, Widerrede ist zwecklos → Alkohol und Sprachbarriere lassen es nicht zu. Wir singen und festen, dass der Pinz ordentlich ins Schwanken kommt.

Die zwei Anführer sind am besoffensten und der eine will meine Wanderschuhe und den Hut von meinem Opa haben. Beides können wir ihm ausreden mitzunehmen, aber letztlich fehlt – das merken wir erst später – eine Sonnenbrille.

Die Soldaten verlassen uns kurz vor Mitternacht und alle Anwesenden haben gut einen sitzen!

 

Am nächsten Tag fahren wir das letzte kleine Stück zur Grenze, nicht ohne aber die Motorabdeckung zu öffnen und die Zündkabel wieder richtig in die Zündkerzenhalter zu stecken. Wir vermuten, dass durch das viele Fahren im Gelände alles etwas gelockert wurde. Das Problem war nach 10 Minuten gefunden und nach weiteren 5 repariert.

 

 

Fortsetzung folgt ...

 

 

 

 

 

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