Dienstag 15.01.19
Grenze von Georgien zu Armenien. 20 Uhr. Es ist dunkel.
Bei der Autoversicherung werden wir als erstes ordentlich abgezockt!
Nach einer sehr gründlichen Durchsuchung des Pinzgauer´s durch die Zollbeamten geht es erst nicht weiter. Dollar muss zu armenischen Riel gewechselt – zu einem miserablen Kurs – und eine 10-Tages-Versicherung abgeschlossen werden. Wie in Georgien ist unsere Versicherung (grüner Versicherungsschein) hier nicht gültig.
Zwar haben wir den Preis nicht akzeptieren wollen, aber letztlich konnten wir nichts daran ändern, dass wir letztlich 50$ für 10 Tage „Car-Insurence“ zahlen müssen.
Ansonsten gibt es keine Schwierigkeiten bei der Einreise in unser 12. Land der Reise.
Unsere erste Nacht verbringen wir kurz hinter der Grenze nahe der Straße, durch Ruinen vor neugierigen Blicken verborgen. Am Lagerfeuer kochen wir uns das Abendessen und während die Flammen immer kleiner werden genießen wir die Natur um uns herum: der Fluss gleich hinter den Büschen, den klaren Sternenhimmel, die Berge und die nachtaktiven Tiere!
Mit Insekten insbesondere Schnaken müssen wir durch die kalten Temperaturen nicht rechnen. Das Fliegennetz im Dachzelt wird abmontiert und in den Tiefen des Pinzgauer´s verstaut.
Mittwoch 16.01.19
Die Fahrt nach Yerevan (Eriwan), die Hauptstadt Armeniens, führt uns über löchrige und abenteuerliche Bergstraßen immer Höher bis wir Nachmittags auf der Hochebene und dem Sewansee ankommen. Hier liegt der Schnee flächendeckend und ein frostiger Wind zieht über die 2000er-3000er Berge.
Gegen 21 Uhr kommen wir in Yerevan an und begeben uns auf die Suche nach der einzigen Waldorfschule Armeniens! Wir haben zwar Kontakte aber die letzten Tage über gab es keine Rückmeldung, also stehen wir Abends einfach so unangemeldet auf der Türschwelle und unterbrechen eine Lehrerkonferenz. Dementsprechend überrascht sind die anwesenden Lehrer aber Sergey (Englischlehrer) telefoniert kurz die wichtigen Personen ab und dann heißt es mitkommen: es geht zu Lucy!
Da Sergey zu Fuß unterwegs ist, nehmen wir ihn im Pinzgauer mit. Er zeigt uns den Weg durch die Straßen der Stadt und ist sichtlich angetan von unserem Reisemobil:
„ ... und ihr seit von Deutschland aus hier her gefahren? Mit dem Ding? Interessant... “
Bei Lucy Zuhause angekommen werden David und ich positiv überrascht. Das Haus ist riesig!!! 4 Stockwerke für Lucy und ihre zwei Mädels und jetzt uns. Wir können die Tage über bei ihr wohnen und das Beste ist, jeder hat sein eigenes Zimmer. Luxus pur!
Bei einem späten Abendessen erzählt sie uns, dass sie Eurythmie unterrichtet und für die organisatorischen Sachen der Schule zuständig ist. Sie hat in Deutschland studiert und so unterhalten wir uns auf Deutsch.
Im Gegenzug erzählen wir ihr unsere ganze Reise-Zirkus-Abenteuer-Story und dann überlegen wir gemeinsam, wie wir die nächsten Tage über Zirkus machen können. Ein klarer Vorteil ist, dass die Kinder Zirkus schon kennen: Zirkusunterricht ist fest in den Stundenplan integriert (1 Stunde á Woche)!
Da wir eigentlich nur zwei Tage bleiben aber so viel Zirkus wie möglich machen wollen, planen wir die kommenden Tage ziemlich straff. Als Unterstützung wird uns ab Morgen Anna (FSJ-lerin aus Überlingen) zur Seite stehen. Sie kann Russisch und ein wenig Armenisch, so dass sie für uns übersetzen kann.
Donnerstag 17.01.19
Waldorfschule Yerevan
Wir parken direkt vor der Schule und nehmen die Sporthalle mit unseren Zirkusmaterialien in Beschlag. Extra für uns ist der Unterricht so angepasst worden, dass wir ab 10:30 Uhr die 5. bis 7. Klasse nacheinander unterrichten können → also 6 Klassen, da doppelzügig!
Wir verfahren dabei immer nach dem gleichen Schema: Nach dem gemeinsamen Aufwärmen durch ein Spiel trennen wir die Gruppe und stellen Akrobatik oder Jonglage & Co. zur Wahl. Dann übernimmt David den einen und ich die anderen Teil der Klasse.
Dass Zirkus an der Schule unterrichtet wird merkt man schnell. Die Kinder kennen Bälle, Ringe und Keulen zum jonglieren und beherrschen diese auch hervorragend. Aber Pyramiden oder Akrobatik kennen sie nicht! Das ist witzig, denn normalerweise ist es genau andersrum. Jetzt hat David zum ersten Mal die Chance fortgeschrittenere und anspruchsvollere Jonglage zu unterrichten, während ich mit der Vorwärtsrolle und den absoluten Pyramiden-Basics starte.
Nichts desto trotz ist die Begeisterung bei den Schülern und den begleitenden Lehrern groß (Anna ebenfalls – ich lasse sie ab und an selbst unterrichten und helfen – auch hier ist das Zirkusfieber ausgebrochen).
Im Nachhinein werden wir gelobt, wie strukturiert wir unseren Zirkus vermittelt haben und wie gut die Kinder darauf eingestiegen sind.
Ein weiterer witziger Randaspekt: Englisch wird von den Schülern eher abgelehnt und ist – laut der Lehrer – ein Problem. Was wir gar nicht so erlebt haben, vor allem bei den älteren Schülern. Nach kurzer Zeit nämlich sind wir von ganz allein ins Englisch gewechselt – auch die Schüler und die Kommunikation war Top, was die Lehrer etwas geärgert hat aber ein weiterer Pluspunkt für uns ist.
Nach 6 Stunden Zirkus-Workshop sind wir fertig aber glücklich!
Abends Zuhause bei Lucy bekommen wir erneut ein gutes Feedback von unseren Workshops und so beschließen wir – nach erneutem Fragen ihrerseits – länger in Yerevan zu bleiben. Zwar müssen wir wegen dem iranischen Visum nach dem Datum schauen, aber ein paar Tage mehr können wir gerade so entbehren.
Freitag 18.01.19
Tag der Show´s
Mit dem Pinzgauer geht es bei -4°Celsius Morgens ein mal quer durch die Stadt, an der Statue der „Mutter von Armemien“ (wie in Tbilisi gibt’s die hier auch) vorbei und über der Norden der Stadt zur Schule.
In der Sporthalle bauen wir uns unsere Bühne auf und bereiten alles für die Show vor. Von der Schule haben wir eine große Musikanlage bekommen, da unsere kleine Box nicht für eine mit Menschen gefüllte Sporthalle ausgelegt ist.
Wir spielen zwei Mal unser Aufführung vor insgesamt 500 Schülern. Von der 1. bis zur 11. Klasse hat jeder Schüler unsere Show gesehen. Man kann sagen die ganze Schule hat uns zugeschaut.
Nach einer kurzen Pause geht es für uns weiter zum Waldorfkindergarten am anderen Ende der Stadt für eine weitere Show. Wir fahren mit Lucy´s VW und lassen den Pinz vor der Schule stehen (der Portier passt darauf auf).
Bei den Vorbereitungen im Kindergarten merken wir, dass wir das Rola-Brett vergessen haben (wichtige Requisite)! Nach kurzem überlegen beschließen wir mit einem Regalbrett zu improvisieren.
Auch diese Aufführung läuft super und die ca. 70 Kids sind mega happy.
Leicht zerstört kommen wir Abends bei Lucy an aber es bleibt nur kurz Zeit für eine Dusche, dann geht es weiter: Lucy hat uns eingeladen. Im nobelsten Hotelrestaurant der Stadt!
Etwas unvorbereitet auf den Luxus in der „Paris Hotel Yerevan“ Lounge im 14. Stock schlappen wir mit unseren Hippsterklamotten gemütlich an den Kellnern vorbei. Wir bestellen und staunen nicht schlecht über dass, was wir bekommen.
Was man eventuell erwähnen muss: Das Hotel gehört Lucy´s Schwester und Lucy ist hier Stammgast – klar wenn man alles umsonst bekommt.
Lucy möchte uns unbedingt die schönen Kloster und Kathedralen rund um Yerevan zeigen, was wir für Samstag und Sonntag auf unsere to-do-Liste setzen. Wir eröffnen ihr, dass wir gerne Morgen wieder einen Zirkusworkshop geben wollen und sie freut sich und hängt sich gleich an das Handy.
Samstag 19.01.19
Von 11 bis 14 Uhr machen wir in der Schule Zirkus uns gut 100 Kinder sind tatsächlich gekommen. Die Nachfrage ist gewaltig! Jonglage wie Akrobatik wird pausenlos trainiert. Nachdem man den Kids einen Trick gezeigt hat wird selbstständig daran geübt und dass mit einem Ehrgeiz, den selbst David und mich überrascht. Anna ist auch wieder mit von der Partie und übt neben den anderen auch an ihren persönlichen Fertigkeiten, wenn sie nicht gerade Hilfestellung leistet.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen mit Lucy, ihren Töchtern, Anna und uns geht es wie angekündigt das „Geghard Kloster“ besichtigen. Mit dem Auto fahren wir gut eine Stunde bis wir ankommen und von unterwegs aus sehen wir den berühmten Ararat Berg. Er ist besonders beeindruckend, da er – abgesehen davon dass er hoch ist – frei und allein da steht. Das gewaltige Felsmassiv hebt sich über die Wolken und bietet einen wunderschönen Anblick.
Das Kloster selber ist ebenfalls sehr beeindrucken. Es ist zu 2/3 im Berg, das heißt die Gewölbe wurden aus dem Stein heraus gehauen. Lucy kann uns zu vielen Einzelheiten etwas erzählen und es ist spannend in die Geschichte Armeniens einzutauchen. Zum Ende hin führt uns Lucy die Akustik der Gewölbe vor, indem sie ein Lied singt, dass durch die alten Räumlichkeiten getragen wird.
Sonntag 20.01.19
Nachdem wir ordentlich ausgeschlafen haben zieht Lucy mit uns drei wieder los. Es geht in Richtung Westen. Im Verlauf des Tages schauen wir uns das St. Gregor Kloster, die Echmiradzia Kathedrale (in Restauration), die St. Gayane Kirche und die Zvartnots Kathedrale (besser gesagt die Überreste) und das dazugehörige Museum an.
Das verspätete Mittagessen gibt es bei Lucy´s Mutter – Schulleiterin der Waldorfschule – und wir werden wieder aufs feinste durchgefüttert!
Da Lucy weiter muss bestellt sie uns ihren Chauffeur (!!!) der uns „ ...dort absetzt wo ihr wollt!“
Montag 21.01.19
Zirkus-Workshop ab 10:30 bis 15:00 Uhr für die 8. bis 11. Klasse. Der Tag fliegt dahin und erst als die letzten Schüler gegangen sind, merken wir wie erschlagen wir wirklich sind.
Morgen geht es für uns weiter in Richtung Süden und dem Iran, also sammeln wir wiedereinmal Informationen über das nächste Land. Vor allem wie das mir dem Carnet de Passage funktioniert.
Abends bei Spagetti mit Sahne-Pilz-Sauce von Lucy erzählt sie uns, wie begeistert die Kinder ihr im Unterricht von uns und unsere Show/Workshops berichteten.
„Das hat den Kindern gut getan … warum wollt ihr nicht länger bleiben“
oder
„ … wir müssen euch eure Pässe einziehen, damit ihr nicht weiter könnt“
bekommen wir zu hören und wir freuen uns über die gute Rückmeldung.
Auf unserer weiteren Route in den Süden gibt sie uns noch ein paar Tipps für Sehenswürdigkeiten, die wir unbedingt sehen müssen. Zudem eröffnet sie uns, dass die Schule uns ein Hotelübernachtung spendiert, als kleines Dankeschön und dass wir bei den Temperaturen nicht in unserem Pinz schlafen müssen. Darüber freuen wir uns natürlich!
Montag 22.01.19
250 Kilometer geht es von Yerevan aus durch die Berge und wir müssen immer wieder ein Stopp machen – das Bergpanorama sind einfach herrlich!
Die Straßen sind „Pinzgauer-gerecht“ - sprich es ist gut, dass wir eine Allrad-Zuschaltung haben. Schotterpisten wechseln sich mit verschneiten Serpentinen ab und wir kommen erst spät Abends in Goris, einem kleinen Dorf in mitten den armenischen Bergen an. Zum Glück haben wir ein warmes Zimmer, denn Draußen herrschen Temperaturen von bis zu -20°Celsius.
Der Pinzgauer macht die Berge zwar ohne zu murren mit, aber wir sind sehr langsam und die alten Trommel-Bremsen kommen an ihre Grenzen. Vorsicht ist geboten!
Dienstag 23.01.19
Es geht weiter und nach einem ausgedehnten armenischen Frühstück (gekochte Wurst, salziger Käse und Gemüse) geht es hoch in die Berge.
Mittags kommen wir bei einer Kirche mitten in den Bergen vorbei – nur mit Allrad-Fahrzeug erreichbar, da die Straße derzeit erneuert wird und zudem verschneit ist – oder per Seilbahn - und wieder machen einen Stopp. Die St. Paul und Peter Kirche befindet sich direkt am Abhang und bietet einen herrlichen Blick über die umliegenden Gebirge. Das kleine Bergdorf Tatev wirkt recht verschlafen, vor allem jetzt im Winter.
Erst Abends kommen wir in Agarak an. Die iranische Grenze ist von hier aus schon zu sehen.
In dem Dorf nahe der iranischen Grenze haben wir uns eine Unterkunft herausgesucht, um nochmal ein warmes Bett und Internet zu haben, um uns letzte Info´s über das mysteriöse Iran zu holen.
Was wir erfahren macht uns nicht unbedingt glücklicher, z.B. müssen wir jetzt besonders acht geben, was wir filmen oder fotografieren – der ein oder andere Tourist wurde wegen so mancher Fotos der Spionage angeklagt und musste infolge dessen ins Gefängnis. Das wollen wir natürlich vermeiden. Des weiteren gilt ein absolutes Alkoholverbot!!! Der Pinzgauer wird noch mal gründlichst gecheckt, dass auch ja kein Tropfen der verbotenen Substanz uns in potenzielle Schwierigkeiten bringen kann.
Donnerstag 24.01.19
Nach dem Aufstehen werden die letzten Vorbereitungen getroffen. Dann geht es zur Bank → im Iran können wir nicht mit der Karte Zahlen: nur Bares ist Wahres!
Dann fahren wir die letzten Kilometer auf armenischem Boden. Die Grenzzäune säumen den Straßenrand.
Wir reisen aus dem verschneiten und bergigen Armenien aus …
… und das große Chaos nimmt seinen Lauf.
Fortsetzung folgt...
Vielleicht ...
Wenn wir nicht im Gefängnis sitzen ...
Oder Schlimmeres ...
PS: Nach einem Monat im Iran erfahren wir von Anna, dass sie jetzt Täglich Zirkus unterrichtet und das Go Happy Projekt fortsetzt!
Das ist das Beste, was passieren kann!
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